Meine Fahrt Nummer Sechs stand im Vorfeld etwas auf der Kippe. Wenige Woche vorher war in Bayern das Schneechaos ausgebrochen und in den Alpen sah es erstmal nicht besser aus. So bibberte ich auch ohne Schnee in NRW ob alles so klappen würde wie gedacht. Wir planten etwas mehr Zeit ein als sonst und wagten uns über die schneebedeckten Alpen. Wenn man nicht fahren musste, war der Ausblick wirklich traumhaft, besonders werden mir die eingefrorenen Bergbäche, die wie Eiszapfen den Hang hinunter hingen im Gedächtnis bleiben.
In Genua angekommen waren es angenehm kalte 12°C, also schon fast Sommer wie eine Freundin anmerkte. Im La Sosta schienen sie etwas umgestaltet zu haben, das Personal war nicht mehr hundertprozentig das Bekannte, die Speisekarte war umgestellt worden und sie schlossen nun gegen späten Mittag! Nicht auszudenken, wären wir später gekommen, nach der Anreise ohne eine erste ordentliche italienische Mahlzeit ins Training!
Zum Glück lag die Halle immer noch nebenan. Für mich ein Novum, auch wenn es unterschiedliche Räume waren, zwei Mal in derselben Lokalität zu trainieren.
In der Halle war es kälter als draußen, aber während des Savate Genovese wurde mir schon warm genug. Der Hauptteil des Trainings lag ausschließlich in der alten Methode. Claudio unterscheidet sehr strickt zwischen Chausson, Savate und Boxe Francaise. Das ursprüngliche Chausson, in dem die Tritte überwiegen, das Savate, welches bereits mit dem englischen Boxen kombiniert wurde und das moderne Boxe Francaise. Eine zwar nachvollziehbare aber keine offizielle oder trennscharfe Einteilung.
Meine Flexibilität in den Beinen wurde einmal mehr an ihre Grenzen gebracht. Auf der einen Seite ist es zwar hart zu hören „Nein, so nicht, du musst unters Kinn treten!“, auf der anderen Seite ist es aber nicht so schlimm, wenn es nur die Beweglichkeit und nicht die Technik betrifft. Jedenfalls stimmt es definitiv nicht, dass der Genuese aufgrund des „Selbstverteidigungsaspektes“ ausschließlich zu den Beinen tritt. Allerdings gibt es zu den Beinen einige „nette“ Sachen, die im modernen Sport (zu Recht) verboten sind.
Wir hatten das Glück, dass ein Schüler des Maestros vor Ort war, sodass ich fragte ob wir zusammen nicht ein lockeres Sparring machen könnten. Mich interessierte vor allem die Dynamik. Schwer zu beschreiben… Wir trugen zwar Boxhandschuhe, trotzdem war es anders als im modernen Savate, in dem ich trotz alledem immernoch mehr Sparringerfahrung habe. Schon allein, dass man nicht aufpassen musste keine Faustrücken- oder Hammerfaustschläge zu benutzen, dass man ein Ringen einfach ansetzte, weil es grad da war und nicht einfach zu nah aneinander stand und halbgare Haken setzte. Der gute Mann, dessen Namen ich leider vergessen habe, war mit seinen 50 Jahren immernoch sehr gut dabei.
Zum Ende haben wir uns nochmal den Due Mani angesehen, aufgekommene Fragen geklärt und die Stöcke ein wenig schwingen lassen. Mal sehen was der nächste Besuch bringt. Apropos Stöcke, Tobias hat für den Maestro als Mitbringsel einen einen wunderschönen Stenz besorgt, den Claudio sofort in wunderbarem Deutsch als „Alpenstock“ betitelte. Ganz unrecht hat er damit nicht. Er hatte ein paar Rattanstöcke für uns, die er mit einem Knauf mit eingearbeitetem Anfangsbuchstaben versehen hatte. Verwechselungen im Training ausgeschlossen 😉
Als kleines Extra und nicht nur als Überraschung für den Maestro sondern auch für die Jungs hatte ich eine erste Fassung der Übersetzung des ersten Kapitels ohne Technikteil von Claudios Buch dabei. Aber dazu zu gegebener Zeit mehr.
Es war etwas spontan und leider hat es aus organisatorischen Gründen nicht geklappt sich nach dem Training noch mit Daniele Calcagno zu Treffen. Daniele ist Trainer des HEMAvereins in Genua, welcher nach der ersten bekannten Quelle Genuas Scuola di Scherma Storica „Antonio Quintino“ heißt. Er arbeitet ebenfalls am Tambornini und ich warte sehnsüchtig auf seine Publikation zum Thema, nicht zuletzt weil meine eigene Transkription mit Übersetzung ins Deutsche kurz vor der Fertigstellung steht. Aber wir waren ja nicht zum letzten Mal in Genua…