Falls ihr italienische sprechen oder zumindest lesen könnt, ist das hier eine Buchempfehlung. Für alle anderen ist es eine kleine Buchvorstellung. Für das deutsche Publikum gibt es derzeit zwei Bücher um sich einen Überblick übder Savate zu verschaffen:
Savate von Gerhard Schmitt und Savate Boxe Française: Das französische Boxen von Guido Sieverling und Ari Papadopoulos, welches seit einer Weile leider nicht mehr lieferbar ist. In Italien gibt es „Savate – La Boxe Francese“ von Giorgio Messina.
Giorgio Messina ist ein Veteran des modernen Savate in Italien. Es wurde 1936 in Genua geboren, war ein Schüler von Maestro Guido Cafferata und unterrichtet Savate seit 1960.
1965 trainierte er mit Thonon le Bains und begann mehr und mehr Beziehungen nach Frankreich zu knüpfen. Zusammen mit Guido Cafferata, Lazzaro Delfino und Alberto Manusardi gründete er 1965 die AlS. Sie modernisierten das alte Savate Norditaliens und passten es den modernen Anforderungen und Wettkampfregularien an, nicht zuletzt um international erfolgreich zu werden. Dieses Unterfangen war schließlich von Erfolg gekrönt.
Das Buch liefert einen detailierten historischen Abriss über die Anfänge des Savate in Frankreich über Lecour bis Charlemont, ebenso wie die gut dokumentierte Zeit des letzten Jahrhunderts in der Namen wie Roger Lafond und Bernard Plasait nicht fehlen dürfen, wenn man über Savate spricht.
Zusätzlich dazu enthält es alles was man zum Savate in Italien zwischen ca. 1900 und 2000 wissen sollte. Besonders die Aufbruchsstimmung der 70er Jahre und der Auftritt auf der internationalen Bühne.
Später folgen Begriffserklärungen und Technikbeschreibungen, die in Buchform nicht immer ganz einfach sind, hier aber sehr gelungen erscheinen. Es folgen Trainingstipps zum Dehnen, Seilspringen, Sandsack und einiges mehr.
Wir erfahren außerdem etwas über das Prüfungs- und Graduierungssystem des Savate [Sollte hier jemand vom deutschen Verband mitlesen: Es ist eine kleine Schande, dass ich alles was ich darüber weiß aus französischen und italienischen Quellen habe. Es ist längst überfällig, dass es etwas vergeleichbares auf der deutschen Verbandsseite gibt. Freiwillige vor!].
Außerdem gibt es seitenweise Vorstellungen von alter Wettkämpfern, die heute natürlich oft Lehrer sind. Darunter inklusive Bild auch mein verehrter Maestro in jungen Jahren (rechts im Bild). Der Eintrag sagt über ihn:
Claudio Parodi, Schüler von Giampiero Serra, sehr gute Technik, mit einer kurzen Wettkampfkarriere, im Folgenden aber ein guter Lehrer. Aber besonders interessant für mich ist natürlich das kleine Kapitel zu teilweise verbannten Techniken des alten Savate. Ich habe mir die Mühe gemacht die entsprechenden Zeilen recht sauber zu übersetzten, sodass ich sie hier erstmal unkommentiert stehen lassen möchte:
Alte Techniken:
Das Savate, dass 1895 aus dem nahegelegenen Marseille eingeführt wurde, wurde von der „Società Ginnastica Andrea Doria“ und später von der „Società Ginnastica Goffredo Mameli” aufgenommen und weiterentwickelt. Savate war damals als Mittel zur Selbstverteidigung bekannt. Bald wurde es jedoch zu einer echten Sportdisziplin, mit der Organisation von Kämpfen, die später episch wurden.
Die Ligurier hatten nie echte sportliche „Kontackte“ und nahmen auch an keinen Kämpfe bei den französischen Nachbarn teil. Auf diese Weise entwickelten sie ihre eigenen Techniken, die aufgrund der langsamen Ausführung oder des Verbots im Wettkampf nicht mehr verwendet werden. Diese Techniken der „Genuesischen Schule“ wurden 1965 beiseite geschoben, als der Autor dieses Buches [Giorgio Messina] an einem Training von Maestro Bernard Plasait in Thonon le Bains teilnahm. Als ich mir die französischen Athleten ansah, wurde mir klar, welchen Grad an Entwicklung das Savate in diesem Land erreicht hatte. Es gab uns bekannte Techniken, die aber anders genannt wurden, während andere uns noch unbekannt waren. Einige Angriffe, die wir unseren Schülern noch beigebracht haben, passen nicht mehr zum Wettkampf, da sie die Geschwindigkeit verlangsamten. Auch gab es Techniken, die verboten worden waren. Zu den Techniken, die obsolet wurden, gehörte die offene Guarida [Anm.: hier ist wahrscheinlich die Stellung ohne Boxhandschuhdeckung gemeint] oder das Aufsetzten einer Hand auf dem Boden, aus der Position Tritte gegen den Gegner geführt werden.
Ich möchte jedoch einige davon erläutern:
Tiefer Tritt „stile genovese“
Ein Tritt der nicht mehr benutzt aber immer noch erlaubt ist, kann mit beiden Beinen ausgeführt werden. Der Anzug erfolgt, indem der Oberschenkel zum Körper gezogen wird, wobei der Unterschenkel weiterhin hängt und der Fuß mit dem Oberschenkel ausgerichtet wird. Das Standbein ist leicht gebogen, aber unter Spannung. Der Unterschied zwischen diesem Tritt und dem Charlemonts liegt nur in der Ausführung:
1. Beim tiefen Tritt in genuesischer Art, tritt die Ferse, die in einer direkten Bewegung von oben nach unten auf das Ziel geworfen wird, um es zu zerschmettern, während das Standbein beim Aufprall versteift wurde, um die Schlagkraft zu erhöhen.
2. Beim tiefen Tritt nach Charlemont wird die Flugbahn des tretenden Beines konstant niedrig, geradlinig und gestreckt gehalten, ähnlich der Verwendung einer Sense. Der Fuß trifft mit der Innenseite, dem Mittelfuß. Das Standbein wird entsprechend dem Abstand zum Ziel gebeugt. Der Tritt hat eine störende Wirkung, ist aber gleichzeitig langsam in der Ausführung und damit intuitiv.
Nicht nur das, wenn der Tritt vermieden würde, würde er uns in aus dem Gleichgewicht bringen, indem unser Körper gefährlich weit bewegt würde.
Tritt zum Gesicht im genuesischen Stil (Colpo di piede al viso „stile genovese“)
Dieser wertvolle Tritt wird noch unterrichtet. Das Caricamento (Aufziehen) des Trittes erfolgt wie bei einem Fouetté (Halbkreistritt). Der Unterschied liegt darin, wie man ihn führt. Beim Fouetté ist die Bahn des Trittes horizontal, die Fußspitze dreht sich auf dem Boden nicht mehr als nötig und man trifft mit dem Fußrücken oder der Fußspitze. Im Gegensatz dazu wird beim Fußtritt „alla genovese“ die Drehung des Standfußes stärker ausgenutzt und dann wird die Fußspitze ausgerichtet um mit einem geradlinigeren Lauf zum Ziel zu gelangen.
Der Vorteil dieses Trittes, der an einer vom Ziel weiter entfernten Stelle beginnt, ist, dass der Gegner mit seinen Fäusten zurückschlägt.
Ein weiterer Vorteil ist, dass man den Tritt leicht doppeln kann, indem man die Position ausnutzt, die der Körper bei der Ausführung des ersten Trittes eingenommen hat. Der Nachteil ist, dass der Tritt weniger effektiv ist als der Fouetté.
Aufwärtstritt mit der Spitze zum Körper (verboten)
Er kann mit dem einen oder dem anderen Bein ausgeführt werden. Dabei wird die Fußspitze direkt auf das Ziel gestoßen, indem man das tretende Bein einfach bis zur Hüfte anhebt und die Fußspitze kräftig nach vorne streckt. Technisch gesehen könnte man ihn einen “calcione” (“Fußballertritt”) nennen. Es handelt sich um einen instinktiven Tritt, der mit einer einfachen Technik gemacht wird, sodass es nicht notwendig ist besondere sportliche Fähigkeiten zu haben, um ihn auszuführen.
Eine Variante des gerade beschriebenen Trittes ist schwieriger: „colpo di punta al viso“ (Tritt mit der Spitze zum Gesicht). Um diese Technik zu verwirklichen, muss der Körper nach hinten geneigt werden, damit das Bein höher bis zum Gesicht des Gegners angehoben werden kann.
Fußtritt zur Seite mit der Hand am Boden (Colpo di piede di fianco con la mano a terra) (verboten)
Er ist eine Variante des alten Chausson. Die Ausführung ist jene des Chassé (Seitwärtstritt) mit den Beinen gekreuzt oder gesprungen zum Gesicht, aber im letzten Teil der Ausführung macht der Rumpf eine größere Biegung zur Seite, die es erlaubt, die Hand auf den Boden zu stellen und damit mehr Stabilität zu erhalten. Von dieser Position aus ist es möglich erhebliche Kraft auf den von der Ferse getragenen Tritt zu übertragen. Der Angriff zielt auf Körper oder Gesicht.
Tritt mit der Fußspitze zur Seite (Colpo di piede puntato al fianco) (verboten)
Er ist ähnlich dem, den ich gerade beschrieben habe, mit dem Unterschied, dass das Ziel mit der Fußspitze getroffen wurde. Das Caricamento (Aufziehen) entspricht dem aktuellen Fouetté, jedoch mit Unterstützung der Hand am Boden.
Gedrehter Tritt (Colpo di volteggio) (verboten)
Die Ausführung ist die gleiche wie beim Chassé tornante (gedrehter Seitwärtstritt), aber zum Zeitpunkt des Treffers setzt man eine Hand auf den Boden. Der Tritt erfolgt mit der Ferse oder der Schuhspitze.
Faust des französischen Boxens (Pugno di boxe francese )(verboten)
Die Faust des französischen Boxens, welche nicht mehr im Gebrauch und nun auch verboten ist, wurde gegen einen Savateur in falsa guardia (in Rechtsauslage) mit dem Handrücken des Handschuhs ausgeführt.
Der Machetenschlag (Bolo punch) (nicht integriert)
Der Machetenschlag ist ein typischer Schlag kubanischer Boxer, der mit der gleichen Hiebbahn wie ein niedriger Haken geschlagen wird, der aber vor dem Treffer das Handgelenk dreht und den Bauch oder das Gesicht des Gegners trifft. Der Schlag imitiert die Bewegung einer Machete, die von Zuckerrohrschneidern verwendet wird.