Savate Genovese

Meinen Kurs auf dem ersten „The Noble Science Germany“ hatte ich zum Anlass genommen endlich etwas zum Savate Genovese zu schreiben.

Dazu sollte ich aber vielleicht etwas weiter ausholen, denn schon das französische Savate ist in Deutschland nur wenig bis gar nicht bekannt:
Das heutige Savate Boxe Française ist vereinfacht ausgedrückt ein Kickboxsystem aus Frankreich. Seine Ursprünge liegen wohl unter anderem in der pariser Unterwelt des 19. Jh., damals unter dem Namen Savate oder Chausson. Charles Lecour kombinierte um das Jahr 1830 die Fußtechniken mit Boxtechniken aus England und schuf so die frühe Form des Savate Boxe Française. Bis dahin beschränkte sich die Arbeit mit den Armen auf Abwehr und Verwirrung sowie vereinzelter Schläge mit der Hammerfaust oder der offenen Hand. Savate – was so viel bedeutet wie „alter Schuh“ -wurde salonfähig und im 19. Jh. in den Fechthallen neben Florett, Säbel und Canne (Spazierstock) gelehrt.

Savate im Fechtsaal

Das Savate scheint Genua vor der Kombination mit dem englischen Boxen erreicht zu haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit geschah dies über den Seeweg. Marsaills und Genua liegen gerade mal 400Km auseinander. Die Methode der Seeleute – Chassou Marseillies genannt – zeichnete sich wohl vor allem auch dadurch aus, dass während der Tritte häufig eine Hand zum Boden gebracht wurde.
Neben dem Seeweg, scheint sich das Savate ebenfalls über den Landweg im Norden seinen Weg nach Italien gebahnt zu haben. Das belegt uns unter anderem ein Buch in italienischer Sprache, welches in Mailand verlegt wurde. „Trattato di Box Libera“ von Luigi Carmine ist im Grunde eine italienische Übersetzung (mit Ergänzungen zur Selbstverteidigung) des französischen „Manual de la Boxe Francse et Anglaise“ von Leboucher.

Während Savate in Frankreich bis ins 20. Jh. aufblühte, dürfte eine übermäßige, gar nationale Begeisterung in Genua gefehlt haben. Dies hatte jedoch den „Vorteil“, dass dadurch erst sehr spät eine Kombination von Tritt- und Boxtechniken stattgefunden hat. Höchstwahrscheinlich erst mit aufblühen des modernem Savate nach dem zweiten Weltkrieg. So haben wir uns eine ältere Variante des Savate weitgehend erhalten können, auch wenn sich diese wahrscheinlich ebenfalls weiterentwickelt haben wird.
Wenn wir uns jetzt das Savate Genovese ansehen, finden wir neben den üblichen Tritten wie Chasse frontal und Fouetté noch einige Tritte, die es heute im französischen Savate nicht gibt. Ob es sie nicht mehr gibt oder nie gegeben hat, weil sie durch die Italiener hinzugefügt wurden, kann man heute nur schwer mit Gewissheit sagen. Diese Tritte sind

Charles Charlemont, einer der wichtigsten Savateure des frühen 20.Jh. mit einer mittlerweile im Wettkampf verbannten Technik.

im modernem Wettkampf jedenfalls entweder verboten oder zu ineffektiv – zumal die große Zahl der Wettkämpfe Leichtkontakt mit Punktzählung sind – und wurden deshalb teilweise in ihrer Anwendung durch ähnliche Tritte ersetzt. Selbiges gilt auch für Tritte bei denen die freie Hand auf dem Boden aufgesetzt wird, da dies laut aktuellem Wettkampfreglement untersagt ist. Im Großen und Ganzen eine Entwicklung, die es sicherlich bei einigen wettkampforientierten Kampfsportarten bzw. Kampfkünsten zu beobachten gibt. Techniken und Anwendungen passen sich dem Regelwerk an!

Maestro Parodi unterrichtet in seinem Savate Genovese mittlerweile ebenfalls Boxtechniken. Allerdings nicht für den Wettkampf sondern eher als eine Art „Savate defense“ zur Selbstverteidigung oder eben für den rein sportlichen Kontext.
Ich persönlich sehe im wirklich freien Kampf keinen großen Mehrwert im Boxen. Es geschehen immer wieder Distanzfehler oder es schließt ein Kämpfer willentlich auf Boxdistanz. Von dort ist der Schritt zum Gambetto bzw. zum Ringen aber so klein, dass ich die Boxelemente, die einzelne Schläge mit der Hand übersteigen, nicht vermissen würde. Verbannt man in Wettkämpfen Griffe und Würfe, ist aber auch wieder Platz für ausgefeilte Boxtechniken, keine Frage.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied findet sich in der Ausführung gearde bei runden Tritte mit dem hinteren Bein. Während vor den Tritten mit dem vorderem Bein ein Carricamento (fr. Armee) – das heißt ein sauberes Anziehen des Knies – üblich ist, so entfällt es bei Tritten mit dem hinteren Bein oft zu Gunsten von mehr Wucht. Dieses Vorgehen gleicht die fehlende Geschwindigkeit aus, mit der der Tritt ausgeführt werden kann.

Mir gefällt generell beim Savate vor allem die geforderte Beinarbeit mit der Tritte vorbeireitet werden und die Winkelarbeit, die diese aus unerwarteten Richtungen erfolgen lassen. Mehr noch als beim Boxen, eher wie beim Waffenkampf besticht das Savate durch die Möglichkeit Ziele auf drei Höhen angreifen zu können und bietet so eine unglaubliche Varianz an Kombinationen. Damit hat es deutlich mehr mit Fechten gemein als das reine Boxen mit den Händen und zeigt auch hier wieder, dass es nicht falsch ist bei Savate von Fechten mit dem Fuß zu sprechen.

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