HEMA steht für historical european martial arts und ist ein Sammelbegriff für alte Kampfkünste Europas, die keine lebendige Tradition mehr aufweisen oder deren Lehrlinie stark geschwächt ist. Zwar kann man gut nachverfolgen wie sich der Umgang mit dem zweihändig geführten Schwert des 14. Jh. hin zum heutigen Fechten mit Säbel und Degen veränderte, sodass man eigentlich nicht von einem völligen Fehlen dieser Linie sprechen kann. Aber so wird es heutzutage vom Dachverband definiert. Denn selbst die Übertragung des militärischen Säbelfechtens auf das olympische Fechten mit dem Säbel ist durch die zunehmende Versportlichung schwierig. Sogar in diesem Fall ist die Linie geschwächter als man meinen mag, auch wenn der große Unterschied mehr in den Köpfen der Leute zu finden ist als in der Fechttheorie selbst.
Erste Erfahrungen in den HEMA sammelte ich seit etwa 2004. Über die Jahre beschäftigte ich mich mit allerlei Schulen, Fechtmeistern und verschiedenen Waffengattungen. Angefangen mit dem allgegenwärtigen Langen Schwert über diverse Stangenwaffen, dem Ringen mit und ohne Dolch, dem Dussak und dem meyersche Rappier, auch Exoten wie dem Kampf im Harnisch oder dem Umgang mit dem Montante bis hin zu klassischeren Waffen wie Degen und Säbel aber in dem Zusammenhang auch das Fechten mit aufgepflanztem Bajonett. Es gab damals viel zu entdecken und die lebendige Szene machte es einem leicht über den Tellerrand zu schauen und mit anderen Enthusiasten zu arbeiten.Soviel zum Prolog.
Zur Rekonstruktion der HEMA werden alte Manuskripte und Bücher herangezogen. Natürlich gibt es auch eine Menge Literatur aus Italien und auch wenn Mailand direkt um die Ecke ist gibt es tatsächlich Fechtbücher, die in Genua selbst verlegt wurden. Wie könnte ich mich Historischer Fechter nennen, wenn ich nicht wenigstens einen Blick riskieren würde? Mittlerweile bin ich einiger Werke habhaft geworden. Leider sind diese in der allgemeinen HEMAszene nicht so wichtig, weshalb es keine Übersetzung ins englische geschweige denn ins deutsche gibt. Also musste ich selber ran. Erster Schritt Transkription, zweiter Schritt Arbeitsübersetzung und final gibt es vielleicht irgendwann mal etwas Vorzeigbares. Seit einigen Monaten trainiere ich mit meinen Jungs bei Mispeldorn an einem Termin in der Woche jene HEMA genovese und bislang gefällt es.
Mir sind zur Zeit folgende Bücher und Autoren bekannt:
- 1613, Antonio Quintino – Gioielo di sapienza nel quale si contengono mirabilis secreti, e necessarii advertimenti per difendersi da gli huomini e da molti animali
- 1619, Giovani Battista Gaiani – Discorso del tornear a piedi
- 1851, Pietro Spinazzi – Il bersagliere in campagna. Ed istruzione sulla scherma della baionetta
- 1853, Paolo de Scalzi – Scuola della Spada
- 1862, Carlo Tambornini – Breve trattato die scherma alla sciabola
- 1863, Giovanni Battista Viti – Breve trattato di scherma alla sciabola secondo il metodo dell’avvocato Gio. Battista Viti.
De Scalzi veröffentlichte ebenfalls „Scienza della scherma“ in Verona und auch Gaiani veröffentlichte noch „Arte di maeggiar la spada a piedi, et a cavallo“ in Loano. Sollte jemand noch weitere Werke kennen, würde ich mich über eine Nachricht freuen.
Weil es sich ebenfalls um genuesische Kampfkunst handelt, werde ich im Laufe der Zeit auch hier immer wieder etwas zu diesem Thema veröffentlichen. Denn meiner Meinung nach vervollständigen die HEMA genovese das Gesamtbild der traditionellen Künste und beleuchten sie von einer anderen Seite.