Das Gambetto ist neben dem Savate Genovese das andere waffenlose System im Curriculum der Angriffs- und Verteidigungskünste Genuas. Es deckt vor allem die nahen Distanzen ab und verwendet einige wenige Schläge und Stöße mit der Hand und eher Kniestöße als Tritte. Diese dienen mehr dem Zweck den Gegner für die „eigentlichen“ Abschlusstechniken weich zu machen, als ihn etwa niederzuschlagen.
Das Repertoire an Abschlusstechniken beinhaltet hauptsächlich Gelenksbrüchen und einigen wenigen, einfachen Würfen. Will man es einsortieren ist das Gambetto ein ringerisches System, also das Gegenteil vom Savate Genovese. Übersetzt bedeutet Gambetto so viel wie „Jemandem ein Bein stellen“ oder „Jemanden zu Fall bringen“. Ein wenig verharmlosend, wenn ich bedenke wie der Gegner in der Regel zu fall gebracht wird. Die beigefügten Bilder sind aus „Trattato di scherma col bastone da passegio – difesa personale“. Das Buch aus Mailand von 1908 beinhaltet neben dem Stockfechten auch einen kleinen Teil zur waffenlosen Selbstverteidigung. Die dort abgebildeten Techniken sind im Kern noch die Selben wie ich sie in Genau gesehen habe und wie sie in zeitgenössischen Publikationen aus Italien oder auch Frankreich zu finden sind. Gemeinsame Wurzeln oder eine ähnlch geartete Beziehung dürfte bei der geographischen Nähe mehr als wahrscheinlich sein.
Gambetto ist weder ein sehr ausgeklügeltes, theoretisches, mehrschichtiges System noch ein Wettkampfsport. Es ist vor allem eine einfach gehaltene Methode zur Selbstverteidigung und besticht wiedermal nicht durch seine Vielfalt sondern seine Schlichtheit. Es wird vermehrt die eigentliche Technik trainiert, nicht wie etwa beim Judo eine für das Partnertraining entschärfte Variante. Das hat zur Folge, dass die Techniken wie sie in Genua trainiert werden in der Regel langsamer ausgeführt werden müssen, um sich nicht zu verletzten. Einem geübten Ringer oder Jujutsuka dürften die Techniken aber im Grunde alle nicht neu sein.
Interessant ist daher vor allem der erste Teil des Zusammentreffens. Das Gambetto sucht Griffe und Kontrolle, der Weg dorthin macht aber seine Eigenart aus. Die Grundstellung erinnert den ein oder anderen vielleicht an die Haltung für Schild und Schwert oder Mantel und Dolch. Entsprechend werden die Arme auch eher aktiv und passiv zur Defensive und Offensive eingesetzt. In „Box-libera Trattato di difesa personale“ von 1869 welches ebenfalls in Mailand erschienen ist, findet sich eine alte Abbildung der Grundstellung. In einer zugegeben recht kurzen ersten Phase, in der von dieser Position aus die Distanz geschlossen und eine enge Kontaktaufnahme gesucht wird, beginnt man mit Schlägen auf Vitalpunkte oder Kniestößen die Gegenwehr zu minimieren. Dabei sollte lieber einmal zu viel als zu wenig attackiert werden, umso einfacher fällt nachher die Umsetzung der Abschlusstechnik aus.